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Auszug aus dem Bericht auf Onetz:

Gründe, es bleiben zu lassen, gibt es genug. Vor Josef Reger liegen knapp 600 Kilometer quer durch Norwegen. An einem Stück und auf dem Fahrrad. Kaum mehr als fünf Grad zeigt das Thermometer beim Start in Trondheim, Dauerregen trommelt vom Himmel. Ein gutes Sechstel der 1200 gemeldeten Starter ist an diesem 19. Juni 2022 deshalb gar nicht erst am Start erschienen bei “Den store Styrkeproven”. Sie sparen sich diese “große Stärkeprobe”, wie das Kultrennen von Trondheim nach Oslo in deutscher Übersetzung heißt. Reger und seine beiden Freunde Herbert Manz und Walter Frank sind pünktlich da. Um 5.10 Uhr fällt der Startschuss.

“Wenn ich mir etwas vornehme, dann mache ich das auch, ohne das ständig zu hinterfragen”, sagt Reger heute. “Ich frage auch nicht jedes Mal, ob ich mir morgens wirklich die Zähne putzen oder nachts ins Bett gehen soll.” Zu machen, was er sich vorgenommen hat, das zeichnet Josef Reger nicht nur im Sport aus. Der 57-Järhige steht an der Spitze eines der größten Bauunternehmen der Nordoberpfalz. 160 Mitarbeiter beschäftigt die Josef Reger Bau GmbH, 30 Millionen Euro Umsatz hat sie im vergangenen Jahr in etwa erwirtschaftet.

Das ist für sich beeindruckend genug. Noch bemerkenswerter wird die Geschichte des Vohenstraußer Unternehmens, wenn sie Josef Reger selbst erzählt. Denn an ihrem Anfang steht kein Vater, der dem jungen Josef schon eine Firma, eine gute Ausbildung oder wenigstens etwas Geld vererbt hätte. In Josef Regers Jugend gab es gar keinen Vater. “Ich bin als Halbwaise aufgewachsen, mein Vater starb, als ich acht Jahre alt war”, beginnt er seine Geschichte. Die Verhältnisse in seiner Kindheit waren einfach, um nicht zu sagen arm. Bei den Regers habe es bis in die 1980er Jahre kein Wasserklosett gegeben, berichtet Josef aus seiner Kindheit. “Wir konnten uns das einfach nicht leisten.”

Mit 15 Jahren begann er eine Lehre am Bau. Damals entdeckte er auch seine Begeisterung für den Sport, zunächst aber nicht für den Ausdauersport. “Ich bin zum Sport gekommen, weil ich das Gefühl hatte, dass ich etwas mehr Kraft brauche.” Zum Beginn seiner Maurerlehre habe er 49 Kilogramm gewogen, erinnert sich Reger. “Ein Sack Zement wiegt 50 Kilogramm.” Als Junge ohne Vater habe es zudem häufiger “einen auf die Mütze” gegeben, als andere das erleben mussten. Der junge Josef Reger beginnt mit Kraft- und Kampfsport. “Mit 23 habe ich über 100 Kilogramm gewogen. Keiner wollte mir mehr was auf die Mütze geben.”

Aber der Sport habe ihn nicht nur körperlich fit gemacht. “Damals wurde auf den Baustellen noch unglaublich viel Alkohol getrunken, jeder hat geraucht”, erinnert sich Reger an die 1980er Jahre. “So wollte ich nicht werden.” Der schmächtige Junge musste sich auf den Baustellen noch mehr Spott anhören, als die Kollegen sahen, dass er kein Bier trinken wollte. Nach und nach wich der Spott dem Respekt. Bald können die Kollegen dem Tempo des jungen Josefs nicht mehr folgen. Auch der Chef bemerkte die Entwicklung des jungen Maurers. “Plötzlich war ich Vorarbeiter, habe mit 25 Jahren Baustellen mit 25 Mitarbeitern geführt.” Der Durchhaltewillen von damals hilft Reger auch beim verregneten Radabenteuer in Norwegen. Das Wetter wird bei der “Styrkeproven” lange nicht besser. Der Regen hält an und weil es von Meereshöhe zunächst hinauf auf über 1000 Meter Höhe geht, wird es eher noch kälter. Von den Reifen der Vorderleute spritzt das Schmutzwasser ins Gesicht, deshalb kann man kaum den Windschatten der Mitfahrer nutzen. Bei so einer langen Strecke ist diese Erleichterung aber wichtig, weil sie Kraft und Ausdauer spart.

Kräftezehrend war für Josef Reger auch der Start in die Selbstständigkeit. 1998 geht der Maurer mit Hauptschulabschluss diesen Schritt. Die Zeit sei fürs Bauwesen anders gewesen als heute. Es gab weniger Aufträge, das Überleben war schwieriger. Aber nicht nur deshalb arbeitet Reger sehr viel. “Ich habe damals auch gedacht, ich muss immer alles selbst machen.” 80 bis 90 Wochenstunden sei für ihn ganz normal gewesen. Nach über zehn Jahren unter Hochspannung gibt es dann die Quittung, wie er selbst sagt. Reger erleidet einen leichten Schlaganfall, der ihn zum Nachdenken bringt. Zu der Zeit habe er gerade seine Familie gegründet, sich dafür natürlich verantwortlich gefühlt. So weitermachen wie zuvor, war plötzlich keine Option mehr für den dreifachen Familienvater. Reger verkürzt deshalb seine Arbeitszeit, heute sei er kaum mehr als 40 Stunden pro Woche im Betrieb. Er verteilt Aufgaben auf mehr Schultern. Aus dem Alltagsgeschäft versuche er sich rauszunehmen. Stattdessen wolle er vor allem Neues anstoßen, Ideen ins Unternehmen einbringen. “Wenn auf einer Galeere 100 Mann unter Deck rudern, dann hilft es kaum, wenn der Kapitän sich auch noch mit ans Ruder setzt. Es ist schon besser, wenn der aufpasst, wo das Schiff hinfährt.” Es sei richtig, dass dieser Posten manchmal etwas angenehmer ist. Aber letztlich sei es auch für Ruderer besser, wenn das Schiff nicht an einer Klippe zerschellt.

Solche Bilder fallen Reger oft beim Radfahren ein. Zwar mache er immer noch Fitness und Krafttraining. Doch mehr Zeit verbringt er inzwischen auf dem Rad. “Ich brauche einen Sport, der einfach ist, keinen langen Anfahrtswege oder Technik benötigt”, sagt Reger. Das beste Argument fürs Radfahren sei aber, dass er in der perfekten Landschaft dafür wohnt, findet Reger. “Ich bin schon an vielen Orten auf der Welt Rad gefahren. Aber mit der Oberpfalz konnte kaum etwas mithalten.” Herrliche Landschaft verbinde sich hier mit guten Straßen und wenig Verkehr. Perfekt um den Stress der Arbeit los zu werden, neue Kraft zu sammeln, aber auch um nachzudenken und Neues fürs Unternehmen zu ersinnen.

An Ostbayern musste Reger auch bei seinem Mammutprojekt in Norwegen denken. Nach etwa sechs Stunden wird das Wetter auf dem Weg nach Oslo besser, der Regen hört auf, die Sonne sorgt für etwas höhere Temperaturen. Nach einem Kleidungswechsel wird die Tour angenehmer und es bleibt Zeit für einen Blick in die Landschaft. “Ich musste an den Bayerischen Wald denken. Nur mit viel mehr Wasser und roten Häusern”, beschreibt Reger knapp. Gut zur Hälfte finden die drei Oberpfälzer zudem eine Gruppe, die das richtige Tempo fuhr. Nun geht es flott voran.

Genau wie mit Regers Unternehmen in den vergangenen Jahren. Der Bauboom hat geholfen, aber der Unternehmer Reger hat die Chancen ergriffen. Beeindruckt ist davon auch Walter Frank. Der fährt nicht nur mit dem Vohenstraußer Fahrrad, sondern hat mit Glapor in Mitterteich selbst ein Unternehmen gegründet und aufgebaut. “Mich fasziniert an Josef, dass er nicht viel spricht, aber das, was er dann sagt, hat Hand und Fuß”, beschreibt Frank, mit dem Reger auch die Begeisterung fürs Rad teilt. Josef Reger übertreibe es beim Sport aber nicht, beschreibt Frank. “Bei vielen Ausdauersportlern wird der Sport irgendwann zur Religion, die über allem steht.” Bei Reger sei das anders, er wisse, dass es Wichtigeres gibt, die Familie, das Unternehmen. Reger gelinge es, aus dem Sport Kraft zu ziehen, statt sich dafür zu verausgaben.

Mit ihrem Mitstreiter Herbert Manz bringen Frank und Reger “Den store Styrkeproven” dann auch gut zu Ende. 19.27 Stunden steht für die 570 Kilometer als Zielzeit in der Ergebnisliste. Darin enthalten seien kurze Pausen von insgesamt etwa 45 Minuten. Alles in allem entspricht das einer Durchschnittsgeschwindigkeit von deutlich über 30 Stundenkilometern. Josef Reger sagt, dass er der Zeit und der Erfahrung sehr zufrieden sei. Wir wollten im Idealfall unter 20 Stunden bleiben. Das hat wunderbar geklappt.

 

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Bild: © Gabi Schönberger / Bericht: Wolfgang Würth

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